Montag, 17. August 2015

Hau ab – ich hab dich nicht eingeladen!


Plötzlich war sie da. Völlig unerwartet schlich sie sich einfach durch die Hintertür in mein Leben. Eigentlich war ich gerade voll auf damit beschäftigt mich um meinen neugeborenen Rabensohn zu kümmern und konnte keinen Besuch gebrauchen. Aber auf einen kurzen Besuch war sie auch gar nicht aus. Einnisten wollte sie sich. Auf unbestimmte Zeit. Mein Flehen und Jammern hat sie überhört. War ihr doch egal, dass ich sie nicht eingeladen hatte. Das ich sie nicht haben wollte. Ich dachte, dass passiert immer nur den anderen. Aber mir doch nicht. Rabensohn war ein absolutes Wunschkind. Da passte dieser Besuch nun so gar nicht ins Bild. Aber das störte sie nicht. Wie lästiges Ungeziefer nistete sie sich bei mir ein und nichts half, um sie wieder loszuwerden – die postnatale Depression!


Klar hatte ich während der Schwangerschaft davon gelesen, dass sie völlig unerwartet auftaucht. Aber eben auch sang- und klanglos wieder aus dem Leben der Neumutter verschwindet. Deswegen machte ich mir die ersten Tage nach der Geburt auch nicht allzu große Sorgen, als die postnatale Depression mich voll in ihrem Griff hatte. Nach zwei Wochen war sie aber immer noch da und meine Frauenärztin empfahl mir eine Psychologin, die auf diesen ungebetenen Gast spezialisiert war. Sozusagen eine Kammerjägerin der negativen Gefühle. Aber auch sie hatte keine Chance gegen diesen Parasiten. Also gab ich die Therapie vor der letzten Sitzung auf und fügte mich in mein Schicksal. Ich war traurig, dass sich diese Muttergefühle von denen alle immer so schwärmten, bei mir einfach nicht einstellen wollten. Ich habe meinen Sohn gestillt, gewiegt, in den Schlaf gesungen, ihm Geborgenheit und Wärme gegeben. Aber in mir sah es einfach nur tot aus. Die überwältigenden Gefühle der Mutterschaft wollten sich einfach nicht einstellen. Ich zweifelte schon daran, ob ich dieses Kind wirklich liebte. Doch zum Glück wurde ich da schnell eines Besseren belehrt. Dass ich ihn über alles liebe, habe ich in einer Gewitternacht erfahren, als Blitz und Donner direkt über uns tobten. Als es einen gewaltigen Schlag tat und ich aus dem Schlaf gerissen wurde, galt mein erster Gedanke meinem Kind, dass auf meiner Brust schlummerte. Ging es ihm gut? Ich zitterte vor Angst, dass meinen kleinen Wurm etwas zugestoßen war. Aber es ging ihm gut. Ich hoffte, diese Nacht hatte meinen ungebetenen Gast für immer vertrieben. Doch leider wurde ich enttäuscht. Die „Gute“ blieb noch für ein paar Monate. Wenigstens wusste ich jetzt, dass ich meinen Rabensohn über alles liebte. Aber das reichte irgendwie nicht, um aussprechen zu können „Das ist mein Sohn!“ Wenn ich von ihm sprach, dann nannte ich ihn beim Namen oder er war einfach nur das Baby. Ich schämte mich dafür, dass ich nicht von meinem Sohn sprechen konnte. Kam mir vor wie eine Aussätzige. Was war falsch mit mir? Immer wieder stellte ich mir die Frage, warum gerade ich? Was soll das? Wer hatte diesem ungebetenen Gast heimlich die Tür geöffnet und sich dann verzogen. Ich wollte nicht die Gastgeberin sein. Ich versuchte mit allen Mitteln diese Schmarotzerin loszuwerden. Es ging einfach nicht. 

Doch plötzlich, genau so klammheimlich wie sie sich in mein Leben geschummelt hatte, war sie wieder verschwunden. Ohne einen Gruß, ohne ein „Danke. War nett bei dir!“. Nach fast einem Jahr war sie einfach weg. Und mein Sohn war da. Voll und ganz mein SOHN! Dennoch es war eine schwere Zeit. Weil so wenig greifbar. So wenig änderbar. So wenig beeinflussbar. Und so viel Angst in der nächsten Schwangerschaft, dass es mir wieder so gehen würde. Ich habe viel darüber gelesen, dass es nicht sein muss, wenn sie einmal da war, dass sie dann wieder kommt. Ich hoffte sehr, dass meine fehlende Gastfreundschaft ihr einen weiteren Aufenthalt in meinem Haus gründlich vermiest hatte. Und so war es dann zum Glück auch. Rabentochter kam auf die Welt und war gleich meine TOCHTER! Keine Depression, die sich durch die Hintertür in mein Leben drängte. Einfach nur pures Mutterglück und tiefe Verbundenheit. Die Nachwehen dieser schweren Zeit spüren Rabensohn und ich leider bis heute noch. Ich habe zwar keine Ahnung, ob ich ihn ohne postnatale Depression anders behandelt hätte, denn ich war liebevoll und voller Zärtlichkeit zu ihm. Ich hatte nur eben nicht von Anfang an dieses tiefe Gefühl, welches eigentlich jede Mutter verdient hat. Vielleicht werde ich irgendwann meinen Frieden damit schließen, denn die Liebe zu Rabensohn ist jeden Tag aufs Neue da.