Es ruckelte und
zuckelte. Ich lag auf der Rückbank unseres alten 5er BMWs und die Sonne schien
mir direkt ins Gesicht und wärmte meine Haut. Von vorne zog Zigarettenrauch und
kratzte mich im Hals. Ich konnte ein zartes Hüsteln nicht mehr unterdrücken.
Langsam kam ich zu mir. Der Schlaf und die lange Fahrt steckten mir noch in den
Gliedern. Träge schob ich meine Bettdecke, die wir auf langen Fahrten immer
dabei hatten, zur Seite und richtete mich auf. Ich blickte durch das
Heckfenster nach draußen und sah die Natur an mir vorbeifliegen. Die Vegetation
war eine andere als bei uns zu Hause. Wo gestern Abend noch dichte Wälder an
mir vorbeizogen, blickte ich jetzt auf karge Felsen und sonnenverbrannte Hügel.
Der Zigarettenqualm meiner Eltern vernebelte mir die Sicht auf mein geliebtes
Meer, welches hier und da zwischen Häusern und Bäumen hervorblitzte. Ich
kurbelte das Seitenfenster herunter. Der unverwechselbare Duft der Pinien stieg
mir in die Nase. Und da spürte ich sie wieder – die Erregung, die Vorfreude,
die Liebe zu diesem Land, in das wir schon seit Jahren jeden Sommer fuhren.
Ich
war zehn und vor mir lagen drei Wochen Sommerferien am Strand. Der Wochen
Freiheit, Abenteuer und Sehnsüchte. Drei Wochen Südfrankreich. Hitzige Tage,
laue Nächte, Ausgelassenheit und Neugierde. Was wird in diesen Ferien
passieren? Wen werde ich vom letzten Jahr wiedertreffen? Wen neu kennenlernen?
Unruhig rutschte ich auf der Rückbank hin- und her. Wann würden wir endlich
unser Ziel erreichen? Lange konnte es nicht mehr dauern. Die Straße, die sich
sanft an der Küste entlangschlängelte, war mir vertraut. Die Geräusche, die an
mein Ohr drangen, klangen wie Musik in meinen Ohren. Die Gerüche weckten
Erinnerungen an all die Jahre, die ich hier schon verbracht hatte. Endlich
hatte ich sie wieder – meine Sommerheimat! Meine Oase der Glückseligkeit. Mein
Kosmos der Freiheit. Hier konnte ich durchs Gelände streunen und jeden Busch,
jeden Stein neu entdecken. Hier war ich unabhängig, mein eigener Herr. Keine
Verpflichtungen, keine Regeln, einfach das Leben aufsaugen. Ich sah die
vertraute Landschaft an mir vorbeiziehen.
Meine Ungeduld wurde immer größer.
Wann waren wir endlich da? Jede Faser meines Körpers war angespannt. Ich konnte
die Aufregung kaum noch ertragen. Ich wollte endlich raus. Fühlte mich eingeengt
in dieses Gefährt, das uns zum Ziel bringen sollte. Eingepfercht zwischen
Koffern, Taschen und Proviant. Zwölf Stunden gefangen in einem Blechkasten auf
Rädern. Voller Hoffnung blickte ich durch die Windschutzscheibe. Ich kniff die
Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Wie durch ein Fernglas wollte ich das,
was vor mir lag scharf stellen, heranzoomen, fokussieren. Und plötzlich sah ich
es: Das Tor. Mein Tor zur Freiheit. Wenigstens die nächsten drei Wochen. Ich
war zehn. Und der nicht enden sollende Sommer lag vor mir.
34 Jahre später kehrte
ich endlich an den Sommerort meiner Kindheit zurück. Und was soll ich sagen, obwohl
sich so vieles verändert hatte. Ich war plötzlich wieder zehn.
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