Warum muss ich mir diese Frage überhaupt stellen? Ich bin
eine Rabenmutter, also will ich beides, ist doch klar. Wozu habe ich mich
jahrelang durchs Studium geschleppt, Inlandspraktika und Auslandssemester
absolviert, haufenweise Überstunden geschoben, geackert, gerackert, geächzt? Um
jetzt das Heimchen am Herd zu geben, den Haushalt tipp topp zu halten und den
ganzen Tag die Kinder zu bespaßen? NEIN. Ich will nicht meinem Mann dabei
zusehen, wie er die Karriereleiter hochklettert und ich immer unzufriedener
werde, weil ich meine Fähigkeiten nicht mehr einsetzen kann. Irgendwann fängt
er dann eine Affäre mit seiner Sekretärin an, da er die nörgelnde Alte zu Hause
nicht mehr ertragen kann. Ich will selbst was erleben, mich einbringen,
Smalltalk mit Kollegen halten und in Meetings meine Erfahrungen einbringen. Ich
will eine faire Entlohnung für meinen Einsatz und nicht mit einem Minijob
abgespeist werden. Gut, die große Karriere werde ich wohl nicht mehr machen.
Aber ehrlich gesagt, das wollte ich auch nie. Mir war immer klar, dass ich
Kinder haben will. Und dass dann sicher in irgendeiner Art und Weise der Job
ein bisschen zurücktreten muss. Aber dass es so schlimm wird, damit hätte ich
nicht gerechnet. Aber es gibt Hoffnung. Inzwischen habe ich einen tollen Job mit fairem Gehalt, netten Kollegen und Herausforderungen. Aber der Weg dahin war steinig.
Eine Freundin hat mir vor Kurzem erzählt, dass ihre Cousine
schwanger ist. Endlich! Ein absolutes Wunschkind! Jetzt will sie mit ihrem Mann
in die Nähe ihrer Eltern ziehen, da dann ja alles einfacher zu organisieren
ist. Ihren Job will sie aufgeben und sich einen neuen suchen. Meine erste Frage
war: „Hat sie einen befristeten Vertrag oder eine unbefristete
Festanstellung?“. Es stellte sich heraus, dass die werdende Mutter einen super
Job in unbefristetem Arbeitsverhältnis hat. Mir rutschte nur heraus: „Oh mein
Gott, wie kann sie das nur freiwillig aufgeben!“.
In meiner Branche ist es üblich, dass man sich von einem
befristeten Vertrag zum nächsten hangelt. Ging ja auch all die Jahre bei mir
gut. Aber nach der Geburt meines Sohnes und des ersten Jahres Elternzeit stand
ich plötzlich ohne Job da. Ein ganz neues Gefühl für mich. Und wahrlich kein
angenehmes. So leicht ließ ich mich aber nicht unterkriegen und fing an zu
suchen. Ich hatte noch genügend Kontakte zu alten Kollegen und war guter Dinge
schnell wieder einen Job zu finden. Doch meine Suche ließ mich schnell
verzweifeln. Ich musste mir Sprüche anhören, wie „Aber dein Kind darf kein
Problem sein. Wir haben hier keine Mütter beschäftigt!“ oder „Wer kümmert sich
eigentlich um das Kind, wenn du mal länger arbeiten musst? Und das ist bei uns
eigentlich Standard!“ Es war eine harte Zeit und ich hätte alles darum gegeben,
einen unbefristeten Vertrag zu haben und nach einem oder zwei oder vielleicht
auch drei Jahren wieder in meinen alten Job zurückzukehren. Ich weiß, dass auch
die Rückkehr in den festen Job nach der Elternzeit nicht einfach ist. Aber es
besteht doch eine gewisse Sicherheit, dass man noch einen Job hat, wenn man
wieder arbeiten möchte.
Ich hatte Glück und fand eine super Stelle, die mich
wirklich ausfüllte. Ich verdiente zwar wesentlich weniger als vor der Geburt
meines Sohnes – „Du arbeitest ja jetzt nicht mehr kreativ, sondern mehr
organisatorisch. Und du hast ja super Arbeitszeiten und kannst schon um 17 Uhr
gehen!“ – aber ich hatte einen Jahresvertrag. Klar ging ich um 17 Uhr. Aber ich
kam auch schon um acht und machte keine Mittagspause. Oft arbeitete ich abends
von zu Hause oder von unterwegs. Dass ich meinen knapp zweijährigen Sohn bei
einer immens teuren Tagesmutter unterbrachte und mich ständig der Gedanke
verfolgte, dass eine fremde Frau meinen Sohn öfter sieht, als ich, das
interessierte natürlich niemanden. Ich arbeitete auch meine 40 Stunden oder
mehr in der Woche. Ich verteilte sie nur anders und arbeitete effektiver als
meine Kollegen. Eine ausgiebige Mittagspause und ein netter Plausch beim Kaffee
waren da eben nicht drin. Mein Job verlangte viel von mir ab. Oft fuhr ich
heulend nach Hause, da Dienstreisen, Redaktionsschluss und krankes Kind einfach
zu viel für mich waren. Mein Mann sagte sogar einmal zu mir: „Mir ist es lieber
du bist arbeitslos, als dass du dich so kaputt machst!“ Nichtsdestotrotz liebte
ich meinen Job und die, wie sich herausstellte, doch sehr kreative Arbeit. Aber
der Wunsch nach einem zweiten Kind war auch da. Doch wie sollte es mit zwei Kindern
gehen? Mein Vertrag lief bald aus und dann?
Irgendwie wird es schon weiter gehen, ich war mutig und hoffnungsvoll. Ich freute mich auf
unser zweites Kind und den geplanten Umzug in meine alte Heimat. Viele Jobs in
meiner Branche gab es dort zwar nicht, aber ich sah das eher als eine Chance
für einen Neuanfang. Außerdem wohnten meine Eltern ja gleich ums Eck, was sollte da schon schiefgehen? Im Notfall hätte ich ja eine Betreuung. Das erste Jahr genoss ich mit meiner Tochter zu Hause,
doch dann wollte ich unbedingt wieder arbeiten. Da die Aussichten wirklich
schlecht für mich waren, beschloss ich per Fernstudium eine Zusatzausbildung zu
machen. Ich schöpfte wieder neue Kraft und neuen Mut. Und ich wurde auch
mutiger in meinen Bewerbungen. Das zahlte sich aus. Ich bekam eine wundervolle
Stelle angeboten, viel Verantwortung, Dienstreisen zur Berlinale, zu den
Filmfestspielen in Cannes und nach München und Paris. Ein Traumjob – aber nicht
für jemanden mit Kindern. Ich musste mir selbst eingestehen, dass dieser Job
meine Kräfte und auch meine Leidensfähigkeit überschritt. Wozu habe ich Kinder,
wenn ich sie dann nicht mehr sehe? Schweren Herzens, aber guten Gewissens sagte
ich ab.
Also aufs Neue wieder Bewerbungsgespräche führen. Was ich
mir hierbei teilweise anhören musste, ließ mich immer wieder den Kopf
schütteln. Ein potenzieller Chef, der ausdrücklich eine Teilzeitstelle
ausgeschrieben hatte, meinte zu mir, dass es kleinen Kindern nicht gut tut,
wenn sie frühzeitig fremd betreut werden. "Die entwickeln sich alle zu
Psychopathen." Ich dachte ich höre nicht richtig. Natürlich fragte ich ihn, ob
er denn eigene Kinder hätte. "Nein, aber neun Geschwister." Da war mir alles klar.
Ich zog es vor, das Bewerbungsgespräch abzubrechen und zu meinen Psychopathen
nach Hause zu kehren. Ein anderer meinte, dass ich meinen Sohn und meine
Tochter doch lieber aus meinem Kindergarten (der liegt übrigens fünf Gehminuten
von uns entfernt) herausnehmen soll. Hier in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Büro gebe es eine Kita, da könne ich die beiden doch unterbringen, dann kann
ich auch länger arbeiten. Super Idee. Der hatte sicher auch keine Kinder, denn
sonst wüsste er, dass die Vergabe eines Kitaplatzes kein Wunschkonzert ist und
Kinder keine kleinen Zinnsoldaten sind, die man einfach mal schnell woanders
hinstellt. Außerdem, was ist denn mit der Probezeit? Gibt es die bei Ihnen
nicht? Wenn ich die nicht schaffe, dann haben meine Kinder einen Kitaplatz in
einer 20 Kilometer entfernten Stadt. Großartig. Sie können dann ja alleine mit
der S-Bahn hinfahren.
Also ging die Suche weiter. Einfach aufgeben, das war nicht
mein Ding. Ich wollte arbeiten und ich musste arbeiten. Für mich, für meine
Kinder, für unsere Familie. Letztendlich haben sich meine Geduld und mein
Einsatz ausgezahlt. Ich habe eine Stelle fünf Fahrradminuten von unserer
Wohnung entfernt gefunden. Und es nicht nur ein Job, er macht mir auch noch
richtig Spaß!
Der Cousine meiner Freundin würde ich aber dennoch raten,
überleg dir gut, was du tust. Ich sehe das Problem nämlich nicht darin, einen
passenden Betreuungsplatz für ein Kind zu finden. Das Problem liegt eher darin
einen passenden Arbeitgeber zu finden, der weiß, was er an einer Mutter als
Arbeitskraft hat und uns Frauen auch zutraut, dass wir diese Doppelbelastung Kind und Karriere schaffen. Ich hatte Glück. Und das wünsche ich auch allen anderen Müttern dieser Welt. Gebt nicht auf und gebt euch vor allem nicht mit weniger zufrieden. Glaubt an euch!