Mittwoch, 14. August 2013

Erdbeeren in der Trotzphase


An einem schönen sonnigen Samstagvormittag zog es uns in die Stadt. Fröhliche Kinder, lachende Menschen, Frieden lag in der Luft. Ich schlenderte mit meiner Familie über den Markt, als ich plötzlich große Lust auf Erdbeeren bekam. Ich hielt meine Augen offen und da sah ich sie: Saftige rote Früchte, die mich anblickten und mir zuriefen: Iss’ mich! 


Abrupt blieb ich vor dem Stand stehen und sagte zu meinem Mann: „Ich will Erdbeeren!“. Fragend sah er mich an, dann erwiderte er: „Welche Erdbeeren denn?“, „Na diese da. Die Roten“ Ich zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die roten Früchte, die direkt vor meiner Nase lagen. Mein Mann klärte mich auf: „Aber Schatz, das sind Himbeeren!“. „Nein, das sind Erdbeeren“ beharrte ich, „und die will ich jetzt haben“. Geduldig versuchte mein Mann mir zu erklären, dass Erdbeeren größer sind und kleine grüne Punkte haben und oben so etwas wie ein kleines Grasbüschel rausguckt. „Ich will jetzt aber Erdbeeren“, meine Stimme befand sich schon in den oberen Oktaven. Mein Mann aber blieb ruhig. „Schatz, ganz ehrlich, das sind Himbeeren. Die schmecken ganz anders wie Erdbeeren. Die Erdbeerzeit ist vorbei. Ich verspreche dir, dass wir sofort nächstes Jahr, wenn es wieder Erdbeeren gibt, welche kaufen.“ „Ich will aber JETZT Erdbeeren!“, ich war nicht von meinem Wunsch abzubringen und stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. „Komm’ Schatz,“ mein Mann versuchte mich sachte vom „Erdbeer“-Stand wegzuziehen „lass uns weiter gehen!“. „Ich will aber Erdbeeren!“. So langsam sah ich die Panik in seinen Augen. Einige Leute hatten sich schon nach uns umgedreht und man konnte deutlich in ihren Gesichtern lesen: Hat der Mann etwa seine Frau nicht im Griff!

Sanft packte mein Mann mich am Arm und versprach mir: „Komm’ wir schauen mal, ob wir noch einen Stand finden, der Erdbeeren hat.“ Widerwillig ließ ich mich mitziehen. Aber meine Neugier war einfach zu groß. Vielleicht bekam ich ja jetzt endlich meine Erdbeeren. Mein Mann hoffte natürlich, da die Erdbeerzeit ja schon vorbei war, dass wir uns ohne weitere Probleme auf den Heimweg machen konnten. Doch da hatte er die Rechnung ohne mich gemacht, denn am letzten Stand auf dem Markt entdeckte ich sie: meine Erdbeeren. Laut schrie ich: „Da, da sind Erdbeeren. Ich will Erdbeeren!“. Ungläubig starrte mein Mann auf die roten Früchte vor uns. Tatsächlich, Erdbeeren. „Aber Schatz, die sind viel zu teuer. Die kaufe ich nicht!“ „Ich will aber Erdbeeren. Du hast gesagt, ich bekomme Erdbeeren!“ ich kreischte förmlich. Noch behielt mein Mann die Fassung und versuchte mich mit sonorer Stimme zu beruhigen: „Ich habe gesagt, dass du nächstes Jahr Erdbeeren bekommst. Und jetzt komm bitte weiter, wir wollen nach Hause.“ „Ich will aber Erdbeeren. Du hast es versprochen!“ Erste Tränen kullerten meine Wangen hinunter. „Nein, komm jetzt!“ langsam ließ die Geduld meines Mannes nach. „Ich will jetzt sofort Erdbeeren. Nie, nie, nie bekomme ich Erdbeeren!“ Jetzt schrie ich. „Wenn du so weiter machst, dann bekommst du sowieso keine Erdbeeren. Und jetzt komm endlich und hör auf mit dem Theater.“ Langsam überschlug sich die Stimme meines Mannes, ihm wurde heiß und kalt, weil er merkte, dass die Blicke der umstehenden Passanten an ihm haften blieben. Er packte mich am Arm und versuchte mich fortzuziehen. Ich riss mich los, warf mich auf den Boden und heulte herzerweichend: „Ich will jetzt aber unbedingt Erdbeeren!“ Mein Mann schrie mich darauf hin an: „Nein, verdammt noch mal, du magst doch überhaupt keine Erdbeeren. Und ich kaufe dir auch keine. Diese hier sind sowieso schweineteuer. Das kann ich mir gar nicht leisten!“ Heulend lag ich auf dem Boden, mein Gesicht zornesrot, dicke Tränen kullerten über meine Wangen und ich schrie aus vollem Halse: „Nie bekomme ich das, was ich will. Ich will jetzt Erdbeeren!“

Einige Marktbesucher liefen kopfschüttelnd und tuschelnd an uns vorbei. Eine ältere Dame zupfte meinen Mann am Ärmel und tadelte ihn: „Jetzt kaufen Sie ihr doch die Erdbeeren, wenn sie sie so gerne möchte.“ (Pädagogisch absolut daneben. Mach’ viel Alarm, dann bekommst du letztendlich das, was du willst...) Mein Mann reagierte nicht, sondern war mehr damit beschäftigt mich davon abzuhalten, meinen Kopf auf den harten Asphalt zu schlagen. Wie in Trance schrie ich immer wieder: „Ich will Erdbeeren. Ich will Erdbeeren. Ich will jetzt Erdbeeren. Kauf mir Erdbeeren!“ Damit die liebe Seele (und die, inzwischen zahlreichen Schaulustigen, die rund um meinen Mann und mich eine Traube gebildet hatten) endlich ihre Ruhe hatte, griff mein Mann in seine Tasche, zog einen Fünfeuroschein heraus und kaufte eine Schale Erdbeeren. Während ich mir Rotz und Tränen an meinem neuen T-Shirt abtrocknete, grinste ich meinen Mann frech an, schnappte mir eine Erdbeere und steckte sie mir in den Mund. In hohem Bogen flog die Beere wieder raus: „Ihh, ich mag keine Erdbeeren!“

P.S.: Üblicherweise läuft diese Situation unter Erwachsenen folgendermaßen ab: „Schatz ich will Erdbeeren!“, „Aber die Erdbeerzeit ist doch schon vorbei!“ „Oh, schade. Na, dann eben nächstes Jahr wieder. Wollen wir Äpfel kaufen?“ Aber nicht so eben mit Kindern. Und immer kann man einfach nicht standhalten... Und dennoch liebe Mütter dieser Welt, meistens sollte man eine Rabenmutter sein und standhaft bleiben, scherrt euch nicht um die anderen Leute. Auch wenn ihr vor Scham im Boden versinken wollt. Denkt dran: Die waren auch alle mal Kinder oder Mütter. Oder beides.

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