Montag, 10. November 2014

Frühförderwahn

Neulich wollte meine vierjährige Rabentochter sich mit einer Kindergartenfreundin zum Spielen verabreden. Gar nicht so einfach. Schwieriger als ne Audienz beim Papst. Montag? Nein, geht nicht. Da ist Schwimmkurs. Dienstag? Oh sorry, da sind wir im Englischkurs. Mittwoch? Ja, da geht es. Oh Moment, da machen wir eine Probestunde in der Ballettschule. Donnerstag geht leider auch nicht, da ist kreatives Malen. Freitag? Ja, Freitag würde eigentlich gehen. Aber nein, das wird dann doch zu viel! Irgendwann muss das arme geforderte, äh geförderte Kind sich ja auch mal ausruhen!

Ich verstehe es nicht. Warum braucht ein vierjähriges Kind einen Malkurs? Warum darf es nicht einfach drauflos malen und seiner Kreativität freien Lauf lassen? Und Englisch? Ganz ehrlich, was lernen die Kinder in einer Stunde Englisch pro Woche? Hello, Goodbye, my name is Lola. Klar sind Fremdsprachen wichtig und vor allem Englisch. Das sehe ich auch so. Aber heutzutage wird ab der 1. Klasse Englisch unterrichtet. Und meiner Meinung nach lernt man eine Fremdsprache sowieso nur wirklich gut im täglichen Gebrauch. Also entweder man wächst zweisprachig auf, geht auf eine bilinguale Schule oder plant einen längeren Aufenthalt im Land. À propos (das ist übrigens französisch ;-) ich habe vor einiger Zeit einen Fernsehbeitrag über das Thema Auslandsaufenthalt gesehen. Ein Achtjähriger, ACHT!, geht für ein Jahr in eine Gastfamilie nach Frankreich um Französisch zu lernen. Zu wildfremden Menschen. Ein Jahr weg von zu Hause. Mit Acht! Ich bekomme das einfach nicht in meinen Kopf hinein. Wie ticken denn die Eltern, die so was erlauben oder gar fördern??? Mit 16 okay, da wollte ich auch für ein Jahr nach Chile. Auf eine Hazienda. Um Spanisch zu lernen. Hat damals nicht geklappt. Mit 19 bin ich dann für ein Jahr nach Paris. Und das war super. Aber mit Acht!!! Niemals würde ich Rabensohn oder Rabentochter so lange weg lassen. Niemals! Aber ich bin ja auch egoistisch und gönne meinen Kinder keine Frühförderung.

Klar, ich will meine Kinder auch in ihren Talenten fördern. Aber vor allem möchte ich ihnen Zeit zum Spielen lassen. Zeit zum Rumtoben. Zeit zum dreckig machen und auspowern. Zeit zum Kuscheln und sich einfach mal langweilen. Und genau dabei rausfinden, wo denn nun eigentlich die Talente liegen. Also das Play-Date haben wir dann erst mal verschoben und sind auf den Spielplatz gegangen. Und oh Wunder: Wir haben da sogar ein paar andere Kinder getroffen, die auch noch Zeit zum Spielen hatten!

So zockt Rabentochter ihre Rabeneltern im Memory ab!


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