Sind wir doch mal ehrlich - der Alltag sieht, trotz aller Emanzipation immer noch so aus, dass viele Mütter nach dem ersten Kind zu Hause bleiben. Die wenigsten Väter gehen in Elternzeit. Gut, inzwischen sind es zwar schon ein Viertel aller Väter, aber die bleiben dann auch nur zwei Monate beim Kind - danach ist wieder die Mutter dran. Es sieht also nach wie vor so aus, dass die Frau ihre Karriere nicht nur auf Eis legt, sondern komplett aufgibt, um für die Familie da zu sein. Ja, auch mir geht es so. Es ist wirklich nicht so leicht, die richtige Balance zu finden. Was will ich denn wirklich? Karriere? Kinder? Beides? Von allem etwas lautet die richtige Antwort. Das Schlimme ist nur, dass Mütter sich nach einem Jahr oder mehreren Jahren zu Hause nichts mehr zutrauen. Ich beneide alle Mütter mit Festvertrag, die einfach wieder zurückkehren in ihren Job... Alle die es betrifft schlagen jetzt die Hände über dem Kopf zusammen und belehren mich, dass es ja so einfach nun auch wieder nicht ist. Ich weiß: Meist kehren die Mütter nicht in Vollzeit, sondern in Teilzeit zurück. Ob sie wirklich ihre ursprüngliche Arbeit wieder aufnehmen können, ist auch nicht sicher. Oft muss eine neue Stelle für die Teilzeitkraft geschaffen werden oder man wird bei einer 15-Stunden-Woche "gezwungen" jeden Tag drei Stunden zu kommen, damit auch ja jeden Tag ein Ansprechpartner da ist. Jetzt mal ehrlich - drei Stunden, das bringt doch gar nichts. Ist man gerade mal richtig bei der Arbeit, geht man schon wieder nach Hause. Worauf ich aber eigentlich hinaus will, ist nicht die Schwierigkeit seitens der Arbeitgeber wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen, sondern das mangelnde Selbstbewusstsein, dass Frau hat, wenn sie sich auf die Suche nach einem neuen Job begibt. Dabei haben wir Mütter doch die besten Voraussetzungen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Wenn ich mir die Stellenanzeigen anschaue, dann wird Flexibilität, Organisationstalent, zielorientierte Arbeitsweise, Kreativität, Belastbarkeit, Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke gefordert. Mütter dieser Welt, das ist doch für uns kein Problem!!
Schauen wir uns die einzelnen Voraussetzungen doch mal genauer an.
Flexibilität: Heute habe ich frei! Einen ganzen Tag nur für mich! Herrlich! Pustekuchen - Kind ist krank. Also nichts mit Kaffeekränzchen, Friseurtermin und Lesen. Stattdessen wird Fencheltee gekocht und Wadenwickel gemacht. Nach Besserung des kindlichen Zustandes wird ein Puzzle nach dem anderen gelegt und tonnenweise Bücher vorgelesen. Alles andere kann warten. Auch ich!
Organisationstalent: Neulich in der Küche: Ich war mit Rabentochter und Rabensohn dabei Kekse zu backen. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich schleunigst das Abendessen vorbereiten musste. Also Fleisch eingelegt, Salat gewaschen, Kekse in den Ofen, Dressing angerührt, zwischendurch mal kurz Rabentochters Popo abgeputzt (natürlich gründlich die Hände gewaschen ;-))), Tisch gedeckt, Rabensohns ausgestochene Kekse bewundert, Ehemanns Ferienpläne abgenickt und dabei komplett die Ruhe bewahrt. Dank der richtigen Organisation war es ein Kinderspiel ;-)
Zielorientierte Arbeitsweise: Mein Ziel ist es, beide Kinder abends um halb acht im Bett zu haben. Darauf arbeite ich schon morgens hin, indem ich frage: "Wer bringt dich heute Abend ins Bett?" Leider bin unter der Woche meistens ich das, da mein Mann nicht da ist. In solchen Fällen fange ich ab ca. 17.30 Uhr damit an meine beiden Rabenkinder darauf vorzubereiten, dass in zwei Stunden Schlafenszeit ist. Alles mit dem Ziel, die Zu-Bett-Geh-Arie möglichst kurz zu halten. Nach dem Abendessen wird nicht mehr getobt, sondern nur noch ruhig gespielt (wenn ich die Kinder ins Bett bringe ;-))...). Um 19 Uhr liegen dann beide gewaschen und Zahn geputzt in ihren Betten und wir lesen. Danach wird noch gekuschelt und dann ist Schluss und es wird geschlafen. Klappt zwar nicht immer reibungslos, aber immer öfter. Deshalb hat auch jede Aktivität, die wir tagsüber machen das Ziel abends müde und zufrieden ins Bett zu fallen.
Kreativität: Bepackt mit zwei vollen Einkaufstaschen, einer quengelnden Tochter und einem Luftballon stand ich vor dem Aufstieg in unsere Wohnung. Trotz unbändigem Bewegungsdrang ist meine Tochter schlichtweg zu faul unsere 22 Stufen alleine hochzulaufen, sie will getragen werden. Aber das war nun mal in diesem Moment unmöglich. Also, was machen? Schnell das Gehirn eingeschaltet, kreativ gewesen und meiner Tochter folgenden Vorschlag gemacht: "Mal schauen, wer schneller oben ist, der Luftballon oder du? Auf die Plätze fertig los!" Luftballon in die Luft geworfen ... Und schwupps, waren Tochter, Luftballon und Einkaufstaschen oben.
Belastbarkeit: Ich sitze im Auto und quäle mich durch den Nachmittagsverkehr. Vor mir schleicht ein Opa in einer schicken Karosse her (Mensch hier ist 50, nicht 30!), links hinter mir quatscht mir mein Sohn ein Ohr ab und rechts hinter mir steht das Schnattermäulchen meiner Tochter nicht eine Sekunde still. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, wir sind spät dran. Sehr spät sogar. Opa vor mir macht eine Vollbremsung, Kind links hinter mir nimmt Kind rechts hinter mir die Puppe aus der Hand. Opa vor mir schreit Fußgänger an, Kind rechts hinter mir heult mich an und Kind links hinter mir schreit Kind rechts an, es solle nicht so laut heulen. Und ich mitten drin. Ruhe bewahrend, die Uhr im Blick und den Einkaufszettel für später im Kopf rezitierend. Plötzlich ertönt von vorne ein lautes Hupen, da Opa vor mir entgegenkommendem Großstadtjeep die Vorfahrt genommen hat, Kind rechts hinter mir kreischt los. "Ich muss Pipi!", Kind links schreit ich solle sofort anhalten, es hätte seinen neuen Flummi zu Hause vergessen. Mitten drin - ich. Immer noch ruhig. Endlich am Ziel angekommen, rasen wir zur Toilette, nebenbei erklärend, warum es kein Drama ist, dass der Flummi jetzt zu Hause ist, und Opa aus dem Wagen vor mir freundlich grüßend, da dieser sich als Nachbar meiner Eltern herausstellt. Und das alles ohne Valium oder ähnlichem.
Teamfähigkeit: Mich gibt es eigentlich nur im Team. Ein Familienmitglied arbeitet immer mit mir zusammen. Alleine bin ich fast nie. Noch nicht mal auf dem stillen Örtchen habe ich meine Ruhe. Irgendein Teammitglied verlangt immer nach mir. Gerne übernehme mich auch mal die Aufgaben der anderen Teammitglieder. Sei es Zimmer aufräumen, Arzttermine ausmachen oder Bestellungen aufgeben - ich bin dabei.
Kommunikationsstärke: Vermögen, sich leicht auf verständliche Art und Weise mitteilen zu können; Fähigkeit sich auf Sprache und Niveau des jeweiligen Kommunikationspartners rasch einstellen zu können.
Ich hole meine Kinder vom Kindergarten ab und nicht nur meine beiden Lieben, sondern auch der beste Freund meines Sohnes und die Erzieherin meiner Tochter stürmen auf mich zu und beballern mich mit Wörtern. Hier durchzublicken erfordert einige Konzentration und ich muss mich schnell auf meine Gesprächspartner einstellen und offene Fragen rasch beantworten. Zur Erzieherin gerichtet: "Ja, danke ist mir auch schon aufgefallen. Ich werde daran denken, neue Wechselklamotten mitzubringen." Zum Rabensohn: "Nein, heute können wir nicht mehr auf den Fußballplatz gehen. Es ist fast dunkel!", Zum Freund des Rabensohnes: "Da muss ich erst mal mit deiner Mami sprechen!", zur Rabentochter: "Ja mein Schatz, das hast du ganz toll gemalt!"
Liebe Mütter traut euch! Jede von euch hat doch sicher schon mal eine Situation erlebt, die euch stark macht für die Anforderungen der Arbeitswelt. Euer Kind/eure Kinder sind das beste Zeugnis. Ihr könnt viel mehr, als ihr euch vielleicht zutraut. Ihr seid belastbar, kreativ, flexibel, diplomatisch, kommunikationsstark und sehr schlau darin Lösungen zu finden und dabei nicht durchzudrehen. Außerdem seid ihr es gewohnt, wenn man euch nicht ständig lobt.... ;-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen